17. Oktober 2022
Wie Sie evtl. der Presse bereits entnommen haben, hat sich das Hermann-Josef Krankenhaus in Erkelenz entschlossen, eine Kooperation mit dem "Hôspital de Saint George de Magara" in Magara / Burundi einzugehen. Auslöser war eine Behandlung von Pfarrer Klaus Buyel im Erkelenzer Krankenhaus und das Interesse des Arztes Bastian Hummel, in Afrika in einem Krankenhaus zu arbeiten.
Bastian Hummel ist Anfang September nach Magara / Burundi gereist und wird dort voraussichtlich 2 1/2 Monate das Krankenhaus unterstützen.
Doch dieser erste Austausch soll nicht nur eine einmalige Angelegenheit sein. Wir wollen eine Zusammenarbeit die dauerhaft Bestand hat
so Dr. Christian Niedworok, Chefarzt der Urologie im Hermann-Josef Krankenhaus.
Bastian Hummel berichtet zu dieser Zusammenarbeit:
Bei meiner Ankunft in Magara wurde ich herzlich vom Schwesternorden „Bene Umukama“ in ihrem Kloster im Empfang genommen. Das Kloster liegt direkt an der Seite des Krankenhauses und ist schlicht, aber freundlich eingerichtet. In einem der drei Gästezimmer richtete ich mein neues Zuhause für die kommenden Monate ein.Wir berichten natürlich weiter über die Kooperation der Krankenhäuser, sobald es Neuigkeiten gibt.
Auch wenn es mir zu Anfang schwer fiel mich an das Essen, die einfachen Lebensumstände und den Tagesablauf zu gewöhnen – jeden Morgen begann der Tag um 06:30 Uhr mit einer Messe in der katholischen Pfarre von Magara und nach dem Abendessen war der Weg ins Bett oft nur mit der Taschenlampe möglich – so halfen mir die sieben ansässigen Schwestern mit Rat, Tat und stets einem Lächeln auf dem Gesicht Fuß zu fassen.
Von Anfang an wurde ich also auch in den Arbeitsalltag eingespannt. Das Krankenhaus und das Gesundheitszentrum sind organisatorisch und räumlich voneinander getrennt, obwohl sie sich auf dem gleichen Gelände befinden. Das war anfangs schwer mit meiner deutschen Herangehensweise nachzuvollziehen – warum vollzieht man den Verwaltungsaufwand, die Laborarbeit, oder das Finanzwesen nicht gemeinsam, sondern arbeitet nebeneinander her – aber mit der Zeit begann ich zu verstehen, dass das burundische Gesundheitssystem anders funktioniert.
Für mich ging es morgens nach dem gemeinsamem Frühstück im Kloster zum „Staff“ – der Dienstübergabe. Hier berichteten die Nachtwachen der Chirurgie, Inneren Medizin und der Geburtshilfe, über die Ereignisse der vergangenen Nacht. Mir wurde direkt bewusst, dass eine starre Organisationsstruktur gepflegt wird. Auch fiel mir auf, dass meine Französischkenntnisse eingerostet waren, wobei es mir im Verlauf der folgenden Wochen gelang im Alltag und bei der Arbeit wieder gut französisch zu sprechen und zu verstehen. Nach dem „Staff“ ging ich dann mit meinen ärztlichen Kollegen auf die Visite. Wir waren insgesamt vier Ärzte. Zwei Kollegen haben sich die Wochentage und eine somit eine Stelle geteilt und Schwester Émiliènne war neben der Tätigkeit als Ärztin gleichzeitig auch die Direktorin des Krankenhauses. Im Umkehrschluss hieß es, dass ich jeden Tag bei der Arbeit an den Patienten alleine mit einem meiner ärztlichen Kollegen war.
Schon in der ersten Woche wurde mir schlagartig bewusst, worum sich die Hauptarbeit im Krankenhaus in Burundi dreht. Geburten und Malaria. Von den ungefähr dreißig bis vierzig belegten Betten waren dreiviertel oder mehr entweder hochschwanger, im Wochenbett oder schwer an Malaria erkrankt.
Das liegt daran, dass zum einen in ganz Burundi Kinder unter 5 Jahren und Schwangere rund um die Geburt verpflichtend kostenlos behandelt werden müssen. Die Kinder waren fast ausschließlich an Malaria erkrankt und eine Frau in Magara bekommt im Durchschnitt sechs Kinder. Warum man hier so wenig andere Krankheitsbilder im Krankenhaus sieht, liegt daran, dass die Behandlungen Geld kosten. Da in diesem extrem armen Land und der extrem armen Region um Magara die Leute kein Geld zur Verfügung haben – sie leben wortwörtlich von der Hand in den Mund und essen das, was auf den Feldern wächst oder im See schwimmt – kann es sich kaum jemand leisten für eine andere Behandlung ins Krankenhaus zu gehen. Und wenn man dann ausnahmsweise irgendiwe Geld zusammengekratzt hatte, dann wurde es nur für die wirklich lebensbedrohlichen Krankheiten benutzt. Magara ist leider ein Endemiegebiet für Malaria, sodass sie die gefährlichste Krankheit und meines Erachtens auch die Haupttodesursache der Einwohner darstellt.
Die schwere Verlaufsform der Malaria, „paludisme grave“ genannt, war leider unser täglicher Begleiter auf der Visite. Die Menschen kamen nicht mit dem ersten oder zweiten Schub ins Krankenhaus, sondern erst dann, wenn die Krankheit schon so weit fortgeschritten war, dass die Leute vor Schwäche zu nichts mehr in der Lage waren. Das Problem stellte oftmals nicht die Behandlung der Malaria selber dar, sondern die Behandlung der Komplikationen. So war bei zwei von drei Fällen eine Bluttransfusion notwendig um die Menschen am Leben zu halten bis man die Malaria selber behandelt hatte. Eine Blutbank in Burundi zu betreiben ist jedoch schwierig und extrem teuer. Mehrmals gingen uns die mühselig besorgten Blutkonserven aus und wir mussten nachts in die Hauptstadt fahren um irgendwo noch Konserven aufzutreiben, oder die Leute in andere, meistens mehrere Stunden entfernte Krankenhäuser verlegen. Mich beeindruckt es extrem zu sehen, wie hier jeder alles in Bewegung setzt um ein Menschenleben zu retten und wie oft das unmöglich geglaubte am Ende doch noch gelang.
Nach der Visite begann die Zeit der Sprechstunden. In Burundi ist dies immer eine offene Sprechstunde, das bedeutet, dass geplante Patienten, genauso wie Notfallpatienten behandelt werden. Nachdem ich bei der täglichen Sprechstunde half und mein Wissen und meine Fähigkeiten anbringen konnte, begann ich auch eine urologische Sprechstunde aufzubauen. Und der Bedarf hiernach war unglaublich. Da es momentan nur einen einzigen Facharzt im gesamten Land gibt, kamen sehr viele Menschen in die Sprechstunde und waren allein schon für die Möglichkeit dankbar ihre Probleme und Leiden vortragen zu dürfen. Auch wenn ich in meinen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten eingeschränkt war, gelang es mir jedoch immer wieder Probleme zu lösen. In schwierigen Situationen versuchte ich immer den Patitenten und Kollegen zu vermitteln, dass wir mehr Lösungen haben als es Probleme gibt.
Was sich mir besonders eingeprägt hat, ist der große Bedarf für eine Inkontinenzbehandlung der Frau. Da die allermeisten Frauen im Alter über 45 schon acht und mehr Geburten hinter sich haben, klagen viele über eine Schwäche des Beckenbodens um damit verbundene Inkontinenz. Eine Operation zur Behandlung hiervon stellt die Hebung von Beckenorganen dar und diese gelang uns häufig in Magara. Zu sehen, dass selbst im ärmsten Land der Welt die Möglichkeit besteht auf diese Leiden der Menschen eine Antwort gefunden wird hat mich nachhaltig beeindruckt. Nach dem Ende der Sprechstunde, was meist zwischen 14:00 Uhr und 16:00 Uhr war, gingen wir zum Dienst über. Hier wurden dann Notfälle und die stationär liegenden Patieten behandelt. Es hat mich immer wieder gefreut zu sehen, dass die Krankenpflege und das ärztlichen Personal Hand in Hand mit gegenseitigem Respekt zusammenarbeitet. Das ist in einem sehr hierarichisch geprägten Land kein Selbstverständnis.
Das tägliche Aufkommen im Operationssaal bestand aus zwei Teilen. Zum Einen aus geplanten Operationen aus den Sprechstunden und zum Anderen aus (Notfall-) Kaiserschnitten. Beide Teile waren stets von einer Ungewissheit begleitet. Die Elektivoperationen wurden sehr häufig in dem Wissen geplant, dass der Patient die 80.000 burundischen Francs noch auftreiben müsste und nicht selten tauchte der Patient nicht auf, da er das Geld nicht auftreiben konnte. Umgerechnet zwischen 25 und 30€ für eine Operation mitsamt Krankenhausaufenthalt stellt leider für die allermeisten Menschen hier eine extreme Hürde dar. Manchmal hat es mehrere Wochen gedauert, bis wir den Patienten dann wiedergesehen haben. An dieser Stelle möchte ich explizit herausstellen, dass dies mit Abstand die niedrigsten Preise für eine Operation in Burundi sind. In anderen Krankenhäusern darf die Schwelle ohne das zahlen von 100€ erst garnicht übertreten werden. Warum es in Magara so günstig ist liegt zum Einen an den mannigfaltigen Spenden und zum Anderen an der Leitung durch den Schwesternorden. Dieser arbeitet nicht gewinnorientiert und steckt alle verfügbaren Mittel in die Krankenhäuser. Neben Menschen aus Deutschland helfen auch viele aus Belgien und Italien dem Orden. Die Schwestern selber erhalten außer der Unterkunft im Kloster und der Verpflegung keinen Lohn und arbeiten jeden Tag der Woche aufopferungsvoll. Eine der Schwestern berichtete mir, dass sie dafür eine Woche Urlaub in zwei Jahren erhalten.
Der andere Teil der Operationen, die Kaiserschnitte, sind von Tag zu Tag unterschiedlich. Manchmal hatten wir an drei Tagen nur einen Kaiserschnitt und manchmal mussten wir in der Nacht vier mal in den Operationssaal. Der Ablauf rund um die Geburt, also insbesondere die Entscheidungsfindung zum Kaiserschnitt und die dann folgende Durchführung läuft hier wie ein präzises Uhrwerk. Jeder weiß was er zu tun hat und in meiner gesamten Zeit habe ich glücklicherweise nicht erlebt, dass eine Mutter oder ein Kind verstorben sind. Eine beachtliche Leistung des gesamten Teams! Anfangs fiel es mir nicht leicht diese Operation durchzuführen, da ich ja in der Urologie geschult bin. Aber besonders Schwester Émiliènne lernte mich gut in der Technik an und alsbald konnte ich auch Teil dieses Uhrwerks sein. Insgesamt war jeder Gang in den Operationssaal auch mit einer großen Hochachtung verbunden. Zu erleben mit wie wenig Material und Gerätschaften man hier in Magara alles tut um den Menschen zu helfen war bis jetzt eines meiner Schlüsselerlebnisse in Magara.
Leider war ein täglicher Begleiter im Krankenhaus auch der Mangel an Wasser und an Elektrizität. Seitdem vor ein par Monaten ein chinesisches Wasserkraftwerk wenige Kilometer von Magara eröffnet wurde, ist das Stromnetz deutlich stabiler. So hat man ungefähr die Hälfte der Zeit Strom zur Verfügung. Dies ist sehr wichtig, da so häufig genug die Batterien für den Kühlschrank der Blutbank und des Labors, sowie die Operationsleuchte aufgeladen werden konnten und man immer noch genug Diesel hatte um mit dem Generator die verbleibenden Lücken zu füllen. Ob dies in der Regenzeit noch immer so ist bleibt abzuwarten, jedoch bin ich zuversichtlich, dass die Situation stabil bleibt.
Beim Wasser sieht es leider anders aus. Da in der Trockenzeit ein extremer Wassermangel herrschte, haben Menschen in den Bergen die Wasserleitungen des Krankenhauses ausgegraben und angebort um so an Wasser zu gelangen. Hierbei wurde die Leitung jedoch nachhaltig beschädigt, sodass das Krankenhaus selbst mit einer Ersatzleitung kaum oder kein Wasser mehr hat. Momentan gibt es an zwei von sieben Tagen noch ein wenig Wasserdruck. Dies reicht zum Beispiel um sich die Hände zu waschen oder langsam Wassertonnen zu befüllen. An den anderen Tagen muss jedoch das Wasser täglich mehrere Kilometer in Tonnen und Kanistern in das Krankenhaus geschleppt werden. Die Schwestern sind zuversichtlich, dass mit dem kommenden Regen auch dieses Problem gelöst sein wird. Ob dies jedoch bei der nächsten Trockenzeit weiterhin gelöst sein wird, kann mir keiner sagen.
Zusammenfassend bin ich jetzt schon extrem froh in dieses beeindruckende Lannd gekommen zu sein und sehr dankbar, dass mein Chef und mein Arbeitgeber mir die Möglichkeit gegeben haben dieses Krankenhaus zu unterstüützen. Bis jetzt konnte ich jeden Tag persönlich und medizinisch viel lernen und hoffe, dass ich durch meine Anwesenheit meinen Kollegen hier den ein oder anderen Kniff zeigen kann und den Menschen von Magara eine Hilfe bin. Ich bin sehr gespannt was in der nächsten Zeit noch auf mich zukommen wird und hoffe, dass bald auch wieder Wasser durch das Krankenhaus fließt.